Nachruf auf Prof. Dr. Bernd Naumann (1938–2022)
Herr Naumann war von 1983 bis 2003 Professor der Germanistischen Linguistik im damaligen Institut für deutsche Sprache und Literatur an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. Von Hause aus Mediävist wurde er 1967 bei Prof. Dr. Siegfried Beyschlag in Erlangen mit einer Arbeit zu Dichter und Publikum in deutscher und lateinischer Bibelepik des frühen 12. Jahrhunderts. Untersuchungen zu frühmittelhochdeutschen und mittellateinischen Dichtungen über die kleineren Bücher des Alten Testaments promoviert. Nach Stationen in Tübingen und Dublin, wo er fast sechs Jahre als Statutory Lecturer tätig war, kehrte er 1975 nach Erlangen zurück. In den nachfolgenden Jahrzehnten widmete sich Herr Naumann zunehmend dem neuen Fach der Germanistik, der Linguistik, die sich langsam zu etablieren begann und die er vornehmlich als historische Wissenschaft verstand. Von seinem großen Interesse an der Wissenschaftsgeschichte zeugt seine 1986 erschienene Habilitationsschrift Grammatik der deutschen Sprache zwischen 1781 und 1856. Die Kategorien der deutschen Grammatik in der Tradition von Johann Werner Meiner und Johann Christoph Adelung. Er wirkte aber auch an Lehrbüchern wie der Syntaktischen Analyse (in 1. Auflage 1985) mit und verfasste eine viel zitierte und in drei Auflagen erschienene Einführung in die Wortbildungslehre des Deutschen (in 1. Auflage 1986).
Neben seinen Forschungen zu den grammatischen Kategorien des Deutschen aus historischer Perspektive galt sein Interesse der Beziehung zwischen Sprach- und Geowissenschaften im 18. und 19. Jahrhundert, die er im Rahmen eines DFG-Projekts erforschte. Herr Naumann hatte eine besondere Begabung und Freude an der akademischen Lehre. Er hat zahlreiche Generationen von Studierenden wesentlich geprägt, – auch weil er als Mensch immer sichtbar blieb. Nicht wenige Professor/-innen der Linguistik haben bei ihm studiert.
Herr Naumann hatte darüber hinaus bedeutende Hochschulämter inne und war acht Jahre lang Prorektor der Universität (1994-2002). Nach seiner Pensionierung hat er dafür gesorgt, dass Mitglieder der Erlanger Germanistischen Linguistik an Auslandsreisen von FAU-Vertretern nach Brasilien teilnehmen konnten. Mit den Tonaufnahmen von Sprechenden des Bairischen in der Stadt São Bento do Sul (Bundesstaat Santa Catarina) erhob er früh wertvolles Sprachmaterial einer Sprachinsel, die zunehmend im Schwinden begriffen ist. Hiermit legte er auch den Grundstein der noch heute aktiven GIP-Partnerschaft, die die Erlanger Germanistik mit der UFRGS Porto Alegre und der UFPel Pelotas (Bundesstaat Rio Grande do Sul) pflegt.
Am 28. Mai 2022 verstarb er in Heidelberg. Wir werden ihm ein ehrendes Andenken bewahren.
Mechthild Habermann