ECHO-KONTAKTSTUDIUM
Das Department für Germanistik und Komparatistik sowie der Erlanger Alumni-Verein der Germanistik (AGE) führen seit 2012 in Zusammenarbeit mit dem Lehrstuhl für Didaktik der deutschen Sprache und Literatur in Nürnberg und dem Praktikumsamt Mittelfranken (RLFB) eine eintägige Fortbildungsveranstaltung für Deutschlehrer (und interessierte Lehrer anderer Fächer) durch. Das Kontaktstudium Echo versucht gemeinsam mit den beteiligten Lehrern zu einem Themenschwerpunkt möglichst viele neue fachwissenschaftliche und fachdidaktische Aspekte zu erarbeiten. Um die Breite der Forschungsansätze sichtbar zu machen, beteiligen sich alle Teilfächer der Germanistik und Lehrer unterschiedlicher Schulen an der Durchführung und Vorbereitung dieser Veranstaltung. Sie findet im Sommer jeden Jahres statt.
Demokratie und Propaganda: Sprache – Literatur – Kultur
Termin: 7. November 2024
Ort: Villa an der Schwabach, Hindenburgstr. 46a, 91054 Erlangen
Programm siehe unter diesem Link: https://www.germanistik.phil.fau.de/files/2024/10/ECHO-Fortbidlung-2024_Folder.pdf
Das Superwahljahr 2024 verzeichnet in einigen Bundesländern (Sachsen, Thüringen, Brandenburg) einen betrachtlichen Erfolg demokratiefeindlicher Parteien. Die Europawahl im Juni und die US-amerikanische Präsidentenwahl im November nähren zusätzlich die Sorge um die Zukunftsfähigkeit des demokratischen Systems – bedrohen doch populistische Propaganda-Strategien und diktatorische Absichten weltweit massiv die nachhaltige Gültigkeit, Akzeptanz und Beständigkeit aufklärerischer Errungenschaften: Freiheit, Gerechtigkeit, Mitbestimmung und gesellschaftliche Toleranz. Betrachtet man die Stimmung an den Schulen und entsprechende Umfragen zu politischen Meinungen bzw. zum Wahlverhalten Heranwachsender, dann sind auch hier pessimistische Prognosen nicht von der Hand zu weisen.
Wir haben uns entschieden, diese hochaktuelle und brisante Konstellation zum Ausgangspunkt unserer diesjährigen ECHO-Veranstaltung zu machen. Ausschlaggebend ist die Einsicht, dass gesellschaftliche Wertbildungsprozesse sprachlich verfasst sind: dass es die Diskurse, die medialen Kommunikations-formen und nicht zuletzt die kulturellen Reflexionsräume sind, in denen gesellschaftliche Spannungen ausgetragen, Positionen durchgespielt und kritisch-konstruktive Optionen beleuchtet werden (können). Auch der Deutschunterricht an den Schulen kann in diesen Hinsichten an politischer Bildung teilhaben: Die Teilfächer der Germanistik sollten dazu beitragen, junge Menschen dafür sensibel zu machen, wie politische Werbung und Argumentation mit demokratischen und allgemeinen Werten umgeht. Die Linguistik verfügt über ein Instrumentarium, den politischen Sprachgebrauch nicht nur zu untersuchen, sondern auch sprachkritisch zu hinterfragen. Die Literaturwissenschaft richtet ihren Fokus auf die Art und Weise, wie in literarischen Texten politische Verführung, Terror und die Schädigungen durch Gewalt erlebbar und durchschaubar gemacht werden. Sie ist in der Lage, die Macht der Diskurse und die Funktionsweise von Narrativen verstehbar zu machen. Die Mediävistik beobachtet an alten, aber in ihrer Aktualität zu entdeckenden Texten sowohl inhaltlich wie sprachlich Mechanismen der Überzeugung, der Propaganda oder auch der Verfälschung. Gerade die Alterität, die zeitliche und kulturelle Differenz, schärft den Blick für notwendige Handlungsoptionen in der Gegenwart. Und schließlich reflektiert die Didaktik Möglichkeiten der konkreten Thematisierung und Einübung eines demokratiefördernden Bewusstseins bzw. eines entsprechend eigenständig-verantwortlichen Denkens und Engagements. Insgesamt geht es darum, eine Aufmerksamkeit zu schaffen, die Populismus, antidemokratisches Denken und jedweden Radikalismus aufdeckt und sich ihnen entgegenzustellen weiß. Die jungen Menschen haben genau diese unsere Anstrengung verdient, und sie brauchen sie.
FIBS-Nummer für die Anmeldung: M045-0/24/67
Anmeldung bis spätestens: 10.10.24
Künstliche Intelligenz: Sprache – Literatur – Kultur
Das Thema ‚Künstliche Intelligenz‘ ist aktuell eines der Top-Themen von drängender Relevanz. Eine Gruppe US-amerikanischer Intellektueller aus Wissenschaft und Wirtschaft (etwa: Google und Microsoft) mahnte jüngst, die KI neben dem Klimawandel und der Atombombe als eine der großen Gefahren der Menschheit ernst zu nehmen. Am Ende könnte sie sich verselbständigen, wäre das technisch Mögliche nicht mehr vollständig beherrschbar und der Planet einer (ungewollten) Zerstörung anheimgegeben. Jenseits der Frage, wie wahrscheinlich das tatsächliche Eintreten einer solch dystopischen Zukunft sein mag, stellt sich bereits heute die Frage nach möglichen Gefahren für den konkreten Lebensalltag, in den die Intelligenztechnologien längst Einzug gehalten haben: Wie ist etwa ihr Einsatz unter ethischen und juristischen Gesichtspunkten zu bewerten? Führt die KI zum Verlust von Kompetenzen? Oder befördert sie einen zunehmenden Realitätsverlust und eine verzerrte Weltwahrnehmung durch Fake-News und konstruierte ‚Blasen‘?
Andererseits ist nicht zu leugnen und sollte positiv hervorgehoben werden, dass KI bereits jetzt enorme Potenziale und hilfreiche Wirkmöglichkeiten in sich birgt: im medizinischen Bereich ebenso wie etwa in der logistischen oder auch strategischen Bewältigung komplexer (globaler) Probleme in Wirtschaft, Politik, Technik und Kultur. Für zukunftsträchtige Forschungsfelder eröffnet die KI einen ungeahnten Erkenntnisgewinn und neue Machbarkeiten.
Was bedeutet diese facettenreiche Diskussion über Chancen und Risiken für den schulischen Alltag, für Bildungskonzepte, aber auch für eine Standortbestimmung der Geistes- und Kulturwissenschaften? Die Mogelei mittels ChatGPT im Rahmen des Hamburger Abiturs 2023 war ein alarmierender Anlass, um auf den problematischen Missbrauch elektronischer Textproduktionsprogramme hinzuweisen. Und die Germanistik, der es ganz besonders um Sprachbewusstheit und Sprachkompetenz sowie diesbezüglich auch um die Pflege und Vermittlung kultureller Errungenschaften geht, ist besonders bemüht, eine konstruktive Haltung zum Thema zu entwickeln. Dies soll in der geplanten Fortbildungsveranstaltung versucht werden. Es wird zum einen darum gehen, die produktiven Chancen durch KI für die Forschung, aber auch für den Unterricht an Beispielen auszuloten. Zum anderen sollen die Veränderungen und Probleme reflektiert werden, die sich angesichts der rasanten Verbreitung von KI im Umgang mit Sprache und Literatur – intellektuell und realitätsnah – ergeben. Welche Auswirkungen hat KI zum Beispiel auf Spiele der Phantasie oder das Konzept der Phantastik? Beeinflusst und beeinträchtigt sie die Eigenständigkeit oder die Tiefe der Textproduktion und der kritischen Reflexion? Welche Konsequenzen ergeben sich etwa im Hinblick auf die seit langem geführte Diskussion um den (literarischen) Autorschaftsbegriff? Was antwortet ChatGPT, wenn man das Programm bittet, „wie Goethe“ zu antworten? Wer ist Goethe für die KI – und ist er der gleiche für uns?
Insgesamt ist es unser Anliegen, weder einem einseitigen kulturkritischen Lamento noch einer ungebrochenen futuristischen Technikbegeisterung das Wort geredet, sondern eine differenzierte Betrachtungsweise zu versuchen. Nicht zuletzt setzt sich das Seminar zum Ziel, durch eine wissenschaftliche Beleuchtung des Themas Anreize und Anregungen für eine facettenreiche und problembewusste Beschäftigung mit künstlicher Intelligenz im Deutschunterricht zu geben. Dabei sollen fruchtbare Blicke auf literarische Praktiken (Mediävistik; Neuere deutsche Literatur) ebenso eine Rolle spielen wie systematische Überlegungen zu forschungsbasierten technischen Möglichkeiten und pragmatischen Anwendungsbereichen (Korpuslinguistik, Buchwissenschaft) sowie natürlich immer wieder die Reflexion jugendbezogener, aktueller Erscheinungsformen und/oder auch Gefahren (Literaturdidaktik).
FIBS-Nummer für die Anmeldung: M045-0/23/62
Anmeldung bis spätestens: 04.10.23
Feste (und) Feiern – Sprache – Literatur – Kultur
In Zeiten der Krise (Corona-Pandemie; Gefährdungen der Demokratie, Klimawandel etc.) und nach einer langen Zeit der Kontaktbeschränkungen und Entbehrungen scheint es uns sinnvoll, einmal nicht ein problembehaftetes Thema anzuschlagen, sondern erklärtermaßen ein Gegengewicht zu bieten. Mit einem Seminar zum Thema „Feste (und) Feiern“ wollen wir uns auf eine Kulturpraxis besinnen, die in der Geschichte der Menschheit immer schon dem menschlichen Vergnügen, aber auch der Gestaltung sozialer Beziehungen und dem Entwurf bzw. dem Ausleben von Gegenwelten diente. Allerdings geht es dabei nicht nur um eine anthropologische Konstante, sondern zugleich lassen sich einschneidende Veränderungen im Umgang mit Festen und Feiern gerade in der jüngsten Kulturentwicklung beobachten. Daher soll es im geplanten Seminar einerseits um Traditionen und Funktionen des Feierns, andererseits aber auch um aktuelle Entwicklungen und Tendenzen gehen.
Feste und Feiertage strukturieren das Leben des Einzelnen und der Gemeinschaft von jeher. Sie folgen dabei eigenen Gesetzen, und eigenen Zeitvorstellungen (fünfte Jahreszeit, Karneval, Bergkirchweih usw.); sie lassen spezifische Handlungen zu oder erfordern sie und erlauben ausdrücklich das Ungewöhnliche. Das Spektrum reicht dabei von religiös bestimmten Feiertagen (Weihnachten, Ostern; Jom Kippur; Fastenbrechen: Eid al-Fitr) über persönliche Anlässe (Taufe, Kommunion oder Konfirmation, Geburtstag, Hochzeit u.a.) bis hin zu jahreszeitlich bedingten Ritualen (Silvester, Karneval, Erntedank), staatlichen Gedenktagen (Nationalfeiertage) und sportlichen Ereignissen. Die Funktion von Festen ist immer eine gemeinschaftsbildende: Über Rituale und Bräuche wird ein identitätsstiftender Rahmen erzeugt; Feste sind „Elemente einer kollektiven Sinnkonstruktiuon“ (Walter Leimgruber) und des „kollektiven Gedächtnisses (Jan Assmann). Nicht nur in ihrer Überlieferung, sondern auch in ihrem Vollzug nutzen Feste eigene Me-dien und gehorchen speziellen Vorgaben ihrer Erlebbarkeit (Gesang, Feuerwerk, Performance usw.).
Allerdings sind die diversen Funktionen von Festen und Feiern durchaus in sich widersprüchlich. Sie entlasten von den Beschwernissen des Alltags und bereiten einfach Vergnügen; sie können die Stabilisierung der Macht und die Befestigung von Ideologien befördern; und sie dienen mitunter dem Tabubruch (Sigmund Freud) oder auch der (wenigstens zeitweisen) Befreiung von Herrschaftsstrukturen und deren Subversion (Michail Bachtin).
In jüngster Zeit hat sich die Kultur des Feierns rasant verändert: Feste werden zu ökonomischen Zwecken instrumentalisiert (nicht nur die großen kirchlichen Feiern, sondern auch zusätzliche Anlässe wie der Muttertag (in D. seit 1922 bzw. 1933), Valentinstag [in Italien nach St. Valentinus seit 469, Valentinskarten und -geschenke seit 1800 in England, seit 1950 in Nürnberg: US-Soldaten] oder Halloween); Hochzeiten werden zu aufwendig geplanten ‚Events‘; Festivals sprießen aus dem Boden, und das ‚Partymachen‘ wird in der Freizeitgesellschaft zur Dauer-Beschäftigung. Gerade diese Tendenzen lassen das Thema auch für Jugendliche besonders interessant und wichtig erscheinen. Die Fragen: „Wie feiern wir? Was erwarten wir? Was vermissen wir (vielleicht)?“ berühren in unmittelbarer Weise ihren Alltag, ihre Erfahrungen und ihre Wünsche.
Das Seminar setzt es sich zum Ziel, durch eine wissenschaftliche Beleuchtung des Themas Anreize und Anregungen für eine (vergnügliche!) Beschäftigung im Deutschunterricht zu geben. Dabei sollen ein fruchtbarer Blick auf das historisch Entfernte (Mediävistik; Neuere deutsche Literatur) ebenso eine Rolle spielen wie systematische Überle-gungen zu Festritualen (Linguistik; Theaterwissenschaft) und die Reflexion jugendbezogener, aktueller Erscheinungsformen (Literaturdidaktik).
FIBS-Nummer für die Anmeldung: (M045-0/21/219)
Anmeldung bis spätestens 11. November 2021
Das spannungsvolle Thema ‚Recht‘ und ‚Gerechtigkeit‘ ist in jüngster Zeit wieder vermehrt in den Fokus öffentlicher Debatten geraten: Entsprechende Wahlkampfslogans reagieren auf die Probleme sozialer Ungleichheit in unserer Gesellschaft; als programmatische Forderung der Jugend wird Generationengerechtigkeit mit dem Klimawandel und ökologischen Fragen verbunden (Initiative „Climate Justice Now; Greta Thunberg); Bemühungen um eine gendergerechte Sprache‘ sind auf den kommunikativen Vollzug bzw. die Beförderung eines paritätischen Geschlechtermodells ausgerichtet; im Rahmen der Globalisierung wird das Thema in Bezug auf das Verhältnis zwischen Industrienationen und Schwellen- bzw. Armutsländern verhandelt – um nur einige prägnante Felder der Auseinandersetzung zu nennen. Die geplante ECHO-Fortbildung geht der Frage nach, wie das hoch aktuelle und facettenreiche Thema ‚Recht und Gerechtigkeit‘ im Deutschunterricht sinnvoll fruchtbar gemacht werden kann: durch Sprachreflexion ebenso wie anhand exemplarischer literarischer Texte, die in fiktionalen Versuchsanordnungen und Reflexionsräumen den Anspruch (des Subjekts, einzelner Gruppierungen, der Gesellschaft) auf Recht und Gerechtigkeit behandelt.
Die Tagung versammelt Beiträge aus juristischer, linguistischer, literaturwissenschaftlicher und didaktischer Perspektive. Im Fokus stehen zunächst eine Begriffsklärung und die Frage nach der Behandlung des Themas Gerechtigkeit in Gesetzestexten und in der Rechtsprechung; sodann die Chancen, aber auch die normative Funktion der ‚political correctness‘; schließlich Themen wie Rechtsansprüche, die Macht des Gesetzes, aber auch individuelle Formen der Gerechtigkeitssuche wie Rache und Selbstjustiz in der Literatur (in historischer Perspektive und in der Gegenwart); außerdem die Frage, wie das Thema Gerechtigkeit etwa in philosophischen Gesprächen von Kindern verhandelt wird bzw. werden kann. Eine Lesung schließt die Veranstaltung ab.
Konformität – Sprache – Literatur
Sozialisation ist ein vielschichtiger Prozess zwischen Selbstfindung und Anpassung. Das Phänomen der Konformität spielt in diesem Zusammenhang eine spannungsvolle Rolle: Konformität ist zum einen Ausdruck einer Gruppenzugehörigkeit, die Stabilität garantiert und eine positive Orientierung an kollektiven Werten ermöglicht. Zum anderen kann sie das Ergebnis eines hohen sozialen Drucks und Anpassungszwangs sein, der zu Unfreiheit und gesellschaftlichen Ausschließungsmechanismen führt. – Für Jugendliche bedeutet der Konformitätsdruck eine doppelte Herausforderung: Um ihre Identität auszubilden, müssen sie sich zunächst von allgemein gültigen Konventionen abgrenzen und eigene Perspektiven entwickeln – dies führt zu einem generationenspezifisch geprägten ‚konformen Nonkonformismus‘, der sich etwa in der Jugendsprache, in der Kleidung, in bestimmten Moden und Vorlieben sowie in Verhaltensmustern und Kommunikationsformen äußert. Die notwendigen Peer Group-Bezüge leisten, was sie sollen: Abgrenzung von der Erwachsenenwelt. Zugleich werden in diesem Prozess alterstypische ‚Konventionen‘ herausgebildet, die ein hohes Maß an Anpassung erfordern – wie gravierend dieser Gruppendruck sich auswirken kann, sieht man an Phänomenen wie Zickenkrieg‘, Mobbing‘ oder Einzelgängertum. Es fragt sich im übrigen, ob heutiger Konformismus zusätzlich durch die Omnipräsenz der digitalen Medien und durch den „Maschinengehorsam“ forciert wird, der jedem Nutzer abverlangt wird – auch wenn dies zumeist nicht als Zwang, sondern lustvoll erfahren wird.
Gerade der Deutschunterricht bietet, wie eigentlich immer schon, die Chance, auf die Entwicklungsphasen der Jugendlichen produktiv reflektierend einzugehen. Die Tagung setzt sich folglich das Ziel, jugendlichen Tendenzen zu einem halbbewussten Konformismus konstruktiv zu begegnen, so dass es schließlich zur Selbstfindung und zu eigenständigen Konventionalisierungen – und dies möglichst bewusst – kommen kann. Deshalb fragt die Tagung nach den substantiellen Angeboten, die Linguistik, Mediävistik, Literaturwissenschaft und Didaktik denen machen kann, die tagtäglich in der Institution Schule, genauer in der Institution des Deutschunterrichts, die Jugendlichen auf ihrem schwierigen Weg begleiten.
Populismus – Sprache – Literatur
Zwar ist der Populismus ein Phänomen, das vermutlich schon so lange existiert, wie es Politik, Meinungsunterschiede und Durchsetzungsstrategien in allen möglichen Bereichen des Lebens gibt. Trotzdem hat er mithilfe der neuen Medien unsere Welt in letzter Zeit erheblich verändert; er beeinflusst politische Strategien, prägt Moden, bestimmt unser Konsumverhalten und wirkt sich auf unsere Sprachhandlungen aus. Meist suggeriert er eine Differenz zwischen Mehrheitsüberzeugungen und Elitendenken, beruft sich auf den so genannten gesunden Menschenverstand, auf konkrete persönliche Erfahrungen oder auf Wahrheiten, die auf besondere Weise vermittelt wurden. Und diese Wahrheiten scheinen nicht mehr an eingeübte Praktiken der Verifizierung, an seriöse Quellen oder gesicherte Überlieferungen gebunden zu sein. Im Gegenteil, die neuen, vor allem die ‚sozialen‘ Medien offenbaren alternative Fakten, die scheinbar das Herrschaftswissen ‚endlich einmal‘ in Frage stellen. Das hat fatale Folgen: Populismus spaltet und polarisiert die Gesellschaft; er stärkt radikale Kräfte und destabilisiert dadurch letztlich unsere staatlichen Ordnungssysteme und unsere Wertvorstellungen. Mit zunehmendem Populismus relativiert sich das Gespür für das Richtige, die Überzeugung, gesicherte Erkenntnisse zu haben und – nicht zuletzt – der Glaube an die Wissenschaft. Der Populismus ist wesentlich sprach- und medienbasiert, er arbeitet meist mit einprägsamen Geschichten, evidenten Erzählungen und mit eindrücklichen Szenerien. Und vor allem nivelliert er Unterschiede wie die zwischen Fiktionalem und Faktualem, zwischen fiktiven Setzungen und faktischen Erkenntnissen, zwischen Dichtung und Wahrheit. Der Schule und der Wissenschaft, ganz besonders auch dem Deutschunterricht, der Fachdidaktik und der Germanistik kommt hier eine Verantwortung zu. Im Unterricht kann die Sensibilität für Text- und Erzählstrategien, für populistisches Sprachverhalten, für Rhetorik und für die Wirkungsmacht der neuen Medien gefördert werden.
Kaum ein Thema hat in den letzten Monaten so viele kontroverse Diskussionen herausgefordert wie die Flüchtlinge, die in Deutschland Schutz vor Verfolgung und Krieg suchen oder sich hier ein ökonomisch gesichertes Leben erhoffen. Dabei spielen Fragen nach der Integrationsbereitschaft, Anpassungsfähigkeit oder Arbeitsmöglichkeit eine große Rolle. Angeführt werden einerseits die vermeintliche Bedrohung gelebter Traditionen und Werte, andererseits die positiven Auswirkungen der Emigranten auf den demographischen Wandel und den Arbeitskräftemangel besonders im handwerklichen Bereich. Für das Fach Deutsch oder die Schulen überhaupt rücken natürlich Fragen nach dem Sprachenerwerb oder der Mitteilungsfähigkeit ins Zentrum der Diskussion. Vergessen wird oft, dass Deutschland schon immer ein Einwanderungsland (für Flüchtlinge) war (Hugenotten in Erlangen!) und Deutsche schon immer Aufnahme in fremden Ländern gesucht haben (USA, Südamerika, Russland, Rumänien/Banat usw.). Dabei spielten sowohl politische und religiöse Konstellationen, als auch wirtschaftliche Probleme eine entscheidende Rolle. Politisches Asyl war – historisch gesehen – in den seltensten Fällen ein Grund für deutsche Auswanderer (Exil zwischen 1933 und 1945). Jedenfalls stehen den ca. 8 Millionen Ausländern in Deutschland etwa 10-15 Millionen Deutsche im Ausland gegenüber. Je nachdem, wie man Deutscher oder Deutschstämmiger definiert changiert diese Zahl freilich. Auf jeden Fall sind viele von diesen Deutschen oder deren Vorfahren zu irgendeinem Zeitpunkt aus politischen, religiösen oder ökonomischen Gründen aus ihrer Heimat geflohen. Sich die so entstehenden deutschen Minderheiten und ihre Sprache oder die Kulturen und Probleme der deutschen Flüchtlinge anzuschauen kann die aktuelle Diskussion jedenfalls bereichern. Zudem stellt sich die Frage, wie die Flüchtlinge die deutsche Kultur heute bereichern können und inwiefern sich die Integration der Flüchtlinge als kulturelle Herausforderung in Deutschland stellt. Der Deutschunterricht und die Hochschul-Germanistik sind in dieser Diskussion jedenfalls in ihren Kompetenzen gefragt.
Kaum ein Thema hat in den letzten Monaten so viele kontroverse Diskussionen herausgefordert wie der Islam. In den meisten Fällen ging es dabei gar nicht mal darum, ob der Islam tatsächlich (schon) als ein Teil Deutschlands angesehen werden soll oder nicht. Denn darüber gibt letztlich die recht hohe Zahl muslimischer Mitbürger genügend Auskunft. Vielmehr muss heute diskutiert werden, wie der Islam als Teil der deutschen Kultur und ihrer spezifischen Traditionen gesehen werden kann und wie er als – freilich stets umstrittenes – kulturelles Moment ästhetische Vorstellungen, gesellschaftliche Werte und religiöse Toleranz prägte. In diesem Zusammenhang drängt sich die Frage nach dem Wandel der Islamvorstellung in unserer Kulturgeschichte und dem alltäglichen Sprachgebrauch auf. Stellt das, was wir heute unter Islam verstehen, etwas anderes dar als das, was im Laufe der mitteleuropäischen Geschichte immer wieder darunter rubriziert wurde? Erscheint der Islam in den unterschiedlichen Dokumenten unserer Kulturgeschichte nur als Religion oder auch als Lebensform mit eigenen Wertvorstellungen, als Konfession oder quasi ethnische Gemeinschaft, der bestimmte Charakterzüge zugeordnet werden? Und wie hat, kann oder muss Kultur darauf reagieren?
Fremdheitserlebnisse gehören zu den zentralen Erfahrungen unserer globalisierten Welt. Auf der einen Seite erscheint uns das Fremde durch die Medien und durch eigene Reisen so nah wie noch nie zuvor, auf der anderen Seite werden wir allenthalben mit den Problemen konfrontiert, die das Aufeinandertreffen von fremden Kulturen mit sich bringen. Diese reichen von Integrationsschwierigkeiten über Intoleranz zu Gewalt. Zu bedenken gilt freilich auch, dass nicht immer kulturelle Vielfalt ein gewolltes und gefördertes Gut war. Solchen historisch unterschiedlichen Fremdheitserfahrungen soll das diesjährige ECHO-Kontaktstudium gerecht werden: Am Vormittag erkunden drei Vorträge kulturgeschichtliche Veränderung von Fremdheitserfahrungen. Sie werden sichtbar machen, wie anders wir heute mit Fremdheit umgehen können und wie stark wir noch in tradierten Modi der Fremdheitsbegegnung stecken. Am Nachmittag beschäftigen wir uns mit dem Jüdischen als Moment der Fremdheit und Bereicherung in der deutschen Geschichte und Gegenwart.
Region – Sprache – Literaturen
Gerade in Zeiten der Globalisierung verstärkt sich ein Interesse an regionalen Aspekten der Kultur. Denn sie bieten Orientierung in einer sich rasch verändernden Welt, fördern die Identifikation mit dem eigenen Lebensraum und helfen Bezugspunkte eigenen Handelns in der toleranten Abgrenzung, der produktiven Auseinandersetzung und der weiterführenden Annahme des Fremden zu finden. Räumliche Bezugsgrößen prägen die Literatur, auch wenn sie nicht als explizite Regionalliteratur auftritt. Und in der Sprachepraxis gehört der Umgang mit Dialekten und anderen räumlich verortbaren Varianten zu den interessantesten Phänomenen nicht nur des Alltags, sondern eben auch der schulischen Lehre und universitären Forschung. Die Fortbildung möchte zeigen, wie die Fachwissenschaft und die universitäre Fachdidaktik sich heute der regionalen Bindung der Kultur und der Sprache annehmen und möchte diskutieren, wie sie in der schulischen Praxis diskutiert werden können.
Nicht erst seit der Einführung des Internets oder neuer Formen der elektronischen Kommunikation (E-Mails, Facebook, SMS usw.) bestimmen Mediendispositive und Medienfertigkeiten den sprachlichen Umgang und kulturelle Praktiken; auch und besonders verändert sich mit den Medien die Wahrnehmung und Bewertung von Literatur und Kunst, ja der Zugang zur eigenen Kultur und ihrer Geschichte. Einen tief greifenden kulturellen und sozialen Wandel haben so unterschiedliche Medienrevolutionen wie die Einführung des Buchdrucks, die Erfindung des Films oder die Verbreitung von Computern ausgelöst. Ähnliche Umbrüche deuten sich an. Das Erlanger Kontaktstudium Deutsch am 29. Februar 2012 befasst sich besonders mit der Wirksamkeit neuer Medien auf die Sprache, auf die Rezeption und die poetische Gestaltung von Texten. Es zeigt die kulturelle Eingebundenheit der Literatur und die Wirksamkeit neuer Medien im Bereich der populären Kultur und der Alltagskommunikation. Thema der Fortbildungsveranstaltung wird aber auch der Nutzen neuer Medien für die germanistische Forschung und den Deutschunterricht sein.