Rudolf-von Raumer-Preis
Rudolf von Raumer beteiligte sich früh an der damaligen Debatte um eine Reform der deutschen Rechtschreibung (Über deutsche Rechtschreibung Wien 1855)2, wobei er – im Gegensatz zur historischen Schule Jacob Grimms und seines Schülers Karl Weinhold – eine funktionsbezogene, synchrone Position entwickelte, die den Bedürfnissen der Schule entgegenkam. Sein Motto Bringe deine Schrift und deine Aussprache in Übereinstimmung fand alsbald wachsende Zustimmung. So schlug 1872 eine Delegiertenversammlung der deutschen Schulverwaltungen dem preußischen Kultusminister Falk vor, von Raumer mit der Ausarbeitung eines Entwurfs zu beauftragen, der als Beratungsgrundlage der geplanten Berliner Rechtschreibkonferenz dienten sollte. Von Raumer erhielt und erfüllte diesen Auftrag. Seine Vorlage wurde auf der elftägigen Konferenz ausführlich diskutiert3, doch wurden die mehrheitlich gefassten Beschlüsse wegen heftiger Widerstände in der Öffentlichkeit sowie des Reichskanzlers Bismarck nicht wie ursprünglich geplant reichseinheitlich umgesetzt. Nur Preußen und Bayern haben die meisten Raumer’schen Regeln alsbald eingeführt. Rudolf von Raumer erlebte dies nicht, er verstarb im August 1876, ein halbes Jahr nach der Berliner Konferenz. Sein Werk wurde insbesondere von Wilhelm Wilmanns in seinem Kommentar zur Preußischen Schulorthographie (1880)4 und Konrad Dudens epochemachendem Werk Vollständiges orthographisches Wörterbuch der deutschen Sprache. Nach den neuen preußischen und bayerischen Regeln (1880) fortgesetzt. Auf dieser Grundlage wurde dann auf der zweiten Berliner Rechtschreibkonferenz 1901 eine schnelle Einigung erzielt. Der frühe Tod von Raumers hat dessen Bedeutung für die deutsche Rechtschreibung in den Hintergrund treten lassen. Erst die neuerliche Reformdebatte seit den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts führte wieder zu einer angemessenen Würdigung seiner Leistungen. So weist Dieter Nerius, der beste Kenner der neueren deutschen Orthographiegeschichte, daraufhin, dass „ R. von Raumer die theoretisch bestimmende und K. Duden eher die ausführende Rolle in der letzten Phase der Herausbildung einer einheitlichen deutschen Orthographie zukommt“.5 Viele Punkte seiner Vorschläge sind in jüngster Zeit neu diskutiert worden, z. B. die spezifisch deutsche Groß- und Kleinschreibung.6